Die 100 erfolgreichsten Filme im Bechdel-Test
Im Juni 1994 erscheint „Der König der Löwen“ im Kino. Er ist so erfolgreich, dass er nach kurzer Pause im November erneut aufgeführt wird; 2019 startet dann die erfolgreiche Neuverfilmung. Vielen mag es nicht aufgefallen sein, doch von der ersten bis zur letzten Version hat sich etwas verändert: Zwei insgesamt 26 Sekunden lange Dialoge zwischen weiblichen Charakteren sind hinzugekommen. Dadurch besteht die neue Version nun den sogenannten Bechdel-Test.
In Folge dessen haben wir uns gefragt: Hat sich die Repräsentation weiblicher Figuren in Filmen verbessert? Und gibt es einen Unterschied zwischen den Genres? Um diese Fragen zu beantworten, haben wir die 100 erfolgreichsten Filme aller Zeiten im Bechdel-Test analysiert.
Was ist der Bechdel-Test?
Der nach der Cartoon-Zeichnerin und Autorin Alice Bechdel benannte Test wurde 1985 durch ihren Comic „Dykes to Watch out For” bekannt und ist ein Mittel, um ganz grundlegend die Stereotypisierung von weiblichen Figuren in Filmen einzuschätzen. Damit ein Film den Bechdel-Test besteht, muss er lediglich eine Szene enthalten, in der sich zwei namentlich bekannte Frauen über irgendetwas anderes als einen Mann unterhalten.
Während der Test zwar in einigen Medienunternehmen als Qualitätsmerkmal verankert ist (bspw. staatliches schwedisches Filminstitut), ist er nicht wissenschaftlich fundiert und erhält auch viel Kritik. So wird die Zuverlässigkeit des Tests bemängelt, da die Kriterien sehr vage gehalten sind: Beispielsweise könnten zwei Frauen in einer Szene kurz über Make-up oder Klamotten reden und das würde ausreichen, um den Bechdel-Test zu bestehen. Somit kann ein Film mit stark stereotypisierten weiblichen Figuren die Anforderungen des Tests erfüllen, während ein Film wie „Gravity“ mit starker Frauenrolle durchfällt – einfach, weil es nur drei namentlich bekannte Figuren gibt und Sandra Bullock über weite Strecken des Filmes die einzige Darstellerin ist.
Trotzdem bleibt der Bechdel-Test ein einfach nutzbares Mittel, um die Darstellung weiblicher Figuren in einem Film zu analysieren. Dabei sollte man jedoch stets mit Abstand auf die Analyse gucken und sie richtig einordnen. Dazu kann man zum Beispiel weitere Daten wie etwa die gesamte Screentime der weiblichen Figuren, ihre Rolle für den Plot sowie den Plot und das Setting heranziehen.
Für unsere Analyse haben wir die 100 erfolgreichsten Filme nach weltweiten Einnahmen von Box Office Mojo herausgesucht und diese mithilfe der Webseite bechdeltest.com auf ihre Darstellung weiblicher Rollen untersucht. Während Box Office Mojo von der Internationalen Movie Database (IMDb) betrieben wird, beruht bechdeltest.com auf subjektiven Einschätzungen von User*innen. Jedoch schätzen vor allem die bekannten Filme mehrere User*innen ein und man findet unter vielen Einschätzungen einen Kommentarverlauf, in den Filmliebhaber*innen Ansichten erklären und diskutieren. Zwei Filme, die nicht auf der Webseite aufgeführt waren, analysierten wir außerdem in eigener Recherche.
Drei Tage Filme anschauen ohne angemessene Repräsentation
Von den 100 erfolgreichsten Filmen aller Zeiten erfüllen 69 die Anforderungen des Bechdel-Tests, 31 fallen durch. In ähnlichen Analysen aus dem Jahr 2016 wurde eine Durchfallquote von etwa 37 Prozent festgestellt. Daraus könnte man eine generelle Verbesserung interpretieren – immer mehr Filme erfüllen die Anforderungen.
Jedoch kommt man nicht daran vorbei zu reflektieren: Der Bechdel-Test erwartet lediglich, dass namentlich zwei weibliche Charaktere auftauchen, diese miteinander interagieren und über etwas anderes sprechen als einen Mann. Somit sind die Anforderungen niedrig angesetzt – doch selbst diese werden in unserer Analyse zu 31 Prozent nicht erfüllt. Rechnen wir die Länge all der Filme zusammen, die den Bechdel-Test nicht bestehen, kommen wir auf etwa 71,5 Stunden Filmerlebnis, in dem entweder zwei weibliche Charaktere nicht namentlich bekannt sind, nicht miteinander interagieren oder es nicht schaffen, über etwas anderes als einen Mann sprechen. Das sind nahezu drei Tage lang Filme gucken ohne angemessene weibliche Repräsentation.
Doch auch Filme, die den Test bestehen, sind nicht frei von Stigmatisierungen. Teilweise erfüllen sie die Anforderungen lediglich durch eine Konversation, die sich auf wenige Sekunden beschränkt. Dazu haben wir drei Filme, die den Bechdel-Test bestehen, ausgewählt und die Interaktion weiblicher Charaktere genauer untersucht.
Kein Problem von gestern
Betrachtet man die Filme unserer Erhebung im Jahresverlauf, fällt vor allem auf, wie erfolgreich diese heutzutage schon nach kurzer Zeit sein können. Sogar drei Filme aus diesem Jahr (2022) schaffen es ins Ranking der 100 erfolgreichsten Filme.
Die Ergebnisse des Bechdel-Tests können nur schlecht bis vage miteinander verglichen werden. Nicht jedes Jahr weist dieselbe Anzahl an erfolgreichen Filmen auf. Dennoch erkennt man, dass die durch den Test gezeigten Problematiken weiterhin aktuell bleiben. Auch neuere Erscheinungen wie „Jumanji: The Next Level” (2019), „Thor: Ragnarok” (2017) und „Bohemian Rhapsody” (2018) bestehen den Bechdel-Test nicht, andere wiederum nur knapp – und das zu einer Zeit, in der die Repräsentation und Rolle der Frau gesellschaftlich nonstop im Diskurs ist.
Durchfallquote abhängig von Genre?
In unserem Datensatz haben wir außerdem die Genres festgehalten. Wichtig hierfür: Die Filme gehören in der Regel nicht fest einem einzigen Genre an. 71 gehören zwei, 24 sogar drei verschiedenen Genres gleichzeitig an. In der folgenden Abbildung werden daher Filme oft mehrfach aufgeführt, sprich: Ein Film, der sowohl dem Genre Action/Abenteuer als auch Fantasy angehört, wird in beiden Genres entsprechend berücksichtigt. Dadurch beinhaltet die Grafik 233 Einträge.
Die Anzahl der Filme nach Genre ist sehr unterschiedlich. Es lässt sich allerdings ablesen, dass das Genre Action/Abenteuer am häufigsten unter den erfolgreichsten Filmen erscheint. Da die Genres unterschiedlich stark vertreten sind, lassen sich die Ergebnisse nur schwer miteinander vergleichen, sodass wir keine Aussage über ein gesamtes Genre treffen können. Beispielsweise schaffen es nur vier Liebesfilme ins Ranking, die aber alle den Bechdel-Test bestehen. Ob dies bedeutet, Liebesfilme bestünden den Test grundsätzlich häufiger, kann mit unserer Erhebung nicht bewiesen werden.
Was man allerdings erkennt – und unser Ergebnis vom Beginn unterstützt: Im Schnitt fallen pro Genre circa 30 Prozent der Filme durch. Das sind genauso viele wie auch in der gesamten Betrachtung, unabhängig vom Genre.
Der Film als Leitmedium
Im Endeffekt ist der Bechdel-Test keine wissenschaftliche Analyse. Manchmal gibt es Filme, auf die er sich aufgrund anderer Merkmale nicht anwenden lässt. Außerdem ist ein Film nicht frei von stereotypischen Inhalten, nur weil er den Bechdel-Test besteht. Deswegen sollten zur Beurteilung immer weitere Faktoren hinzugezogen werden, wie zum Beispiel die gesamte Sprechzeit der weiblichen Charaktere, die Geschlechterverteilung hinter der Kamera oder auch wie viel Geld in die jeweiligen Produktionen geflossen ist.
Grundsätzlich ist jedoch wichtig: Der Test zeigt auf simple Weise das wesentliche Problem. Er verlangt ein Minimum an weiblicher Repräsentation in Filmen und dennoch fällt fast ein Drittel der 100 erfolgreichsten Filme durch. Das zeigt nicht nur eine starke Unterrepräsentation der Frau im Film, sondern kann auch das Bild unterstützen, die Welt der Frauen drehe sich nur um Männer. Zudem treten die weiblichen Charaktere oft nur durch einen Mann überhaupt in Kontakt und sind damit keine unabhängigen Figuren. Das sieht man auch in unseren oben aufgeführten Konversationen. Selbst in diesen bestanden Filmen, die von uns per Zufall ausgewählt wurden, ist es immer die Mutterfigur, die mit dem Love Interest des Protagonisten interagiert.
Filme dienen nachweislich als Leitmedium für die Gesellschaft und tragen zur Bewusstseinsbildung bei. Umso wichtiger ist es, dass die Filmindustrie mehr Wert auf eine ausgeglichene und diverse Darstellung von Charakteren legt.